Vom Bürohengst zum Zollspezialisten. Wie ich Deklarant wurde

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man stood on top of a mountain (life is a journey)

Es war 1984, als ich gefragt wurde, ob ich Interesse an der Stelle eines Auszubildenden zum Zollbeamten hätte. Gerade aus dem Militärdienst entlassen und auf der Suche nach Arbeit, war ich interessiert. Ich wusste nicht, was ein Deklarant macht. In der Tat hatte ich noch nie davon gehört. Ich wusste auch nicht, dass an den vier Grenzübergängen in der Gegend zu dieser Zeit eine ganze Industrie am Werk war. Ich würde es bald herausfinden und eine ganz neue Welt tat sich für mich auf.

Ein Start als Lehrlingdeklarant

Die Bezeichnung Lehrlingsdeklarant war ziemlich schmeichelhaft. Bürojunge war der Begriff, der die Belastung besser abdeckte. So wurde ich von meinen Kollegen gegenüber Kunden und Zoll genannt. Das war alles, was ich damals machen konnte. Mein Job war es, mit Stapeln von Papieren zum Zoll zu laufen und von Schalter zu Schalter zu gehen. Damals musste man zuerst aus Deutschland exportieren und erst dann in die Niederlande importieren. Zum Glück waren beide Abteilungen im selben Gebäude und nicht mehr als 10 Meter voneinander entfernt.

Immer am Ball

Ich hatte also herausgefunden, dass all die Lastwagen an den Grenzübergängen nicht nur da waren, um im Restaurant ein Ballsandwich zu essen. Sie waren alle da, weil sie da sein mussten: Ohne das Eingreifen eines Anmelders würden sie nicht über die Grenze kommen. Das Schöne daran war, dass man Stammkunden hatte, man lernte die Fahrer kennen. Sie sprachen alle Niederländisch und kannten sich aus. Sie waren alle geduldig, weil sie wussten, dass sie sowieso warten mussten. Nach der Übergabe der Papiere ging es also ins Restaurant, um zu duschen und das Frikadellensandwich zu essen.

Die Berufsausbildung und meine erste eigene Erklärung

Aber was für Papiere wurden benötigt? Ich wollte mehr wissen und strebte mehr an, als nur mit Papieren herumzulaufen. Mussten die Formulare, die in der Schreibtischschublade lagen, nicht eine Funktion haben? Was, wie, warum? Ich erhielt das Angebot, die EVO-Ausbildung zu absolvieren und griff mit beiden Händen zu. Ich wollte lernen, was ein D31 und D32 ist, ein T2 und T1. Wofür waren die? Das habe ich schnell herausgefunden. Besser noch: Ich durfte anfangen, selbst einfache Erklärungen zu erstellen. 
Es begann mit dem Erstellen von T2-Dokumenten. Basierend auf dem deutschen Ausfuhrdokument durfte ich ein mit Firmennamen vorgedrucktes Formular mit Kohlepapier ausfüllen und daraus ein Dokument machen. Damit konnte ich zum deutschen Zoll gehen, mir die nötigen Stempel holen und mein erstes richtiges Dokument (nach Großbritannien!) war Tatsache. Von da an ging es Schritt für Schritt weiter mit einfachen Importdokumenten. 

Schreibmaschinen und ein Telex

Das durchschnittliche Speditions- und Deklarantenbüro der damaligen Zeit könnte man wie folgt beschreiben. Es gab ein paar wichtige Dinge, die man brauchte, um die Arbeit zu erledigen: einen guten Stuhl, einen Schreibtisch mit Schubladen, eine monströse Schreibmaschine und den Kluwer, die Bibel der Anmelder, den Zolltarif. Mit den Kapiteln 1 bis 99, fein säuberlich auf zwei Bände verteilt. Zur Kommunikation standen ein Telefon und ein Telex zur Verfügung. Die Voranmeldung von Sendungen war selten, die Fahrer meldeten sich einfach physisch am Schalter und dann konnte man sich an die Arbeit machen.

Faxe und Computer

Bekanntlich ging die Entwicklung ab den 80er Jahren sehr schnell, vor allem auf dem Gebiet der Technik. Das Telex wurde vom Fax abgelöst, mit Thermopapier. Computer kamen auf, mit einem Arbeitsspeicher, der kleiner war als das durchschnittliche Bild auf einem heutigen Smartphone. Aber auch der Zoll stand nicht still. Das Einheitspapier wurde eingeführt und machte alle losen Dokumente obsolet. Nicht zu vergessen, natürlich, wurde Sagitta eingeführt. Das automatisierte Zollsystem. Von da an war es nicht mehr nötig, zum Zoll zu gehen, um Stempel für eine Einfuhranmeldung zu bekommen.
Nach dem Inkrafttreten des Maastricht-Vertrages 1993 wurde die Welt der Deklaranten hart getroffen; viele wurden entlassen, weil es durch den Freihandel keine Arbeit mehr geben würde. Im Nachhinein betrachtet könnte nichts weiter von der Wahrheit entfernt sein. 

Digitale Zollprozesse

Schauen Sie, wo wir jetzt sind. Die Welt ist digital geworden. Wir importieren und exportieren in die entlegensten Winkel der Welt und für alles werden Dokumente benötigt. Natürlich hat sich im Laufe der Jahre vieles vereinfacht, man muss nicht mehr physisch zum Zoll gehen, sondern kann seine Anmeldung überall im Land abgeben. Der Beruf entwickelt sich ständig weiter, in der Gesetzgebung (DWU) und Automatisierung (AGS), AEO, Compliance, er steht nie still.

Der Beruf wird manchmal als langweilig und spießig bezeichnet, aber er ist alles andere als das. Er ist spannend, hektisch, abwechslungsreich, international und vor allem interessant. - Franc van Baar

Brexit: Wir suchen wieder die Grenze

Jetzt, 2021, ist der Brexit eine Tatsache. Niemand hat damit gerechnet, dass er einen solchen Verlauf nehmen würde, dass es um so viel gehen würde. Die Volumina sind groß und waren es schon immer, nur nach 1993 hat man das nicht mehr realisiert. Die Tatsache, dass Großbritannien nun ein sogenanntes Drittland ist, für das Import- und Exportformalitäten erledigt werden müssen, hat den Beruf des Deklaranten plötzlich ins Rampenlicht gerückt. Stellenangebote machen die Runde, Berufsangehörige werden angesprochen, um den Wechsel zu vollziehen. Ob Zoll- und Handelsreferent, Zollberater oder eben Deklarant, sie sind schwer zu finden.

Wegweiser in einem Labyrinth von Regeln

Der Beruf wird manchmal als langweilig und spießig bezeichnet, aber er ist alles andere als das. Er ist spannend, hektisch, abwechslungsreich, international und vor allem interessant. Es ist ein Beruf, den man nicht nur durch eine Ausbildung lernt, sondern vor allem, mit einem schönen holländischen Begriff, on the job. Man lernt die Tricks und Kniffe des Handwerks durch Tun und durch die Zusammenarbeit mit 'alten Hasen', die noch mit Schreibmaschinen gearbeitet haben. Durch diese Interaktion zwischen der analogen und der digitalen Generation macht es auch Spaß. Man lernt voneinander. Es erfordert Flexibilität, aber man kann eine Leidenschaft dafür entwickeln. Wie schön ist es, wenn man es schafft, eine komplexe Erklärung fertigzustellen. Nicht nur der Kunde ist dann glücklich, sondern auch Sie als Deklarant. Sie haben ein Stückchen Erfahrung gewonnen. Das ist es, was den Beruf so schön macht: Jede Deklaration ist anders und jeder Tag auch. Sie sind der Wegweiser in einem Labyrinth von (internationalen) Vorschriften und Verfahren und Sie wissen, wo der Ausgang ist!